Von der Prävention bis zur Opferbegleitung: Der Runde Tische „Keine Häusliche Gewalt im Rheinisch-Bergischen Kreis“ sensibilisiert und hilft auf vielen Ebenen
Der „Runde Tisch Keine Häusliche Gewalt im Rheinisch-Bergischen Kreis“ ist in der Region ein breit aufgestelltes und etabliertes Netzwerk. Begleitend zur Ausstellung „Warnsignale“, die im Oktober in zwei Flüchtlingsunterkünften sowie im Kreishaus gezeigt wird, berichten die drei Vertreterinnen Gabi Ammann (Gleichstellungsbeauftragte beim Kreis und Koordinatorin des Runden Tisches), Magdalene Holthausen (Leiterin der Frauen- und Mädchenberatungsstelle) und Farzane Sarabi (Sozialpädagogin des DRK) von den Herausforderungen, Zielen und Erfolgen ihrer Arbeit.
Was ist der Runde Tisch und was macht die Arbeit dort aus?
GA: Wir sind eine Vielzahl unterschiedlicher Akteure und Institutionen, deren Ziel es ist, über das Thema Häusliche Gewalt gegen Frauen aufzuklären, es stärker in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken sowie betroffenen Frauen Beratung und Unterstützung zukommen zu lassen. Dafür bilden wir eine Kette, die eng zusammenarbeitet – quasi von der Prävention bis zur Begleitung und dem Schutz der Opfer. Der Austausch findet auf vielen Ebenen statt und jeder bringt die eigenen Erfahrungen ein: Kripo, Staatsanwaltschaft und Justiz ebenso wie beispielsweise Jugendämter oder Beratungsstellen.
MH: Dem Austausch kommt bei unseren Treffen eine ganz wichtige Funktion zu. Hier findet eine kollegiale Fallberatung unter den Kolleginnen statt und man kann vor kritischen Aspekten warnen.
Wie finanziert sich der Runde Tisch?
GA: Wir werden gefördert durch das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen. In unseren regelmäßigen Treffen, die etwa fünf bis sechs Mal jährlich stattfinden, schnüren wir Maßnahmenpakete, die wir gemeinsam umsetzen. Außerdem legen wir auf der Basis aktueller Beobachtungen der Teilnehmenden Arbeitsschwerpunkte für die nächsten Jahre fest.
MH: So gelingt auch eine gute Verbindlichkeit. Viele Angebote sind präventiv, wie etwa ein Zukunftsworkshop oder Selbstverteidigungskurse. Uns ist es wichtig, dass jede Institution an der Arbeit partizipieren und davon profitieren kann. Und neben den Fördergeldern bringen wir dafür natürlich alle unsere eigenen Ressourcen, unsere „Woman-Power“ ein.
Den Runden Tisch gibt es seit 2003. Wie wirkt sich die Arbeit aus?
MH: Wir bekommen schon gespiegelt, dass unsere Hilfe bei den Frauen ankommt. Aber die Veränderungen auf gesellschaftlicher Ebene sind sehr kleinschrittig. Offiziell wird Gewalt in Deutschland geächtet und nicht toleriert. Trotzdem findet sie in der Lebenswirklichkeit vieler Frauen statt und wird von manchen sogar als normal wahrgenommen. Häufig haben diese Frauen Gewalt bereits in ihrer Herkunftsfamilie generationenübergreifend erlebt und das zieht sich dann weiter durch. Zudem wird von den Frauen viel Eigeninitiative und -verantwortung erwartet, aus meiner Sicht müsste zusätzlich stärker bei den gewalttätigen Männern angesetzt werden. Die Opferschutzbeauftragte der Kreispolizei, Susanne Krämer, die ebenfalls Teil des Runden Tisches ist, kritisiert häufig, dass in Nordrhein-Westfalen keine „Täter- Arbeit“ stattfindet.
FS: Für die Frauen ist es bereits ein großer Schritt, zu erkennen, dass sie Gewalt nicht länger hinnehmen müssen und aktiv werden können. Dennoch trauen sich viele am Ende nicht oder haben nicht die Kraft dazu, beispielsweise Anklage vor Gericht zu erheben. Daher hat unsere Arbeit leider manchmal auch etwas von Sisyphos.
Worum geht es bei der Ausstellung Warnsignale und warum wird sie in den Flüchtlingsunterkünften gezeigt?
FS: Die Ausstellung regt dazu an, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Gerade für viele Menschen, die geflohen sind, war Gewalt unterschiedlicher Art in ihren Herkunftsländern Alltag. Das gilt übrigens für Frauen ebenso wie für Männer und natürlich die Kinder. Sie sind damit aufgewachsen. Hier lernen sie nach und nach, dass sie Rechte haben und Gewalt nicht hinnehmen müssen. Die Ausstellung hilft bei diesem Prozess.
MH: Aus der Erfahrung, als die Ausstellung das letzte Mal gezeigt wurde, wissen wir, dass die Männer und Frauen sehr genau hinsehen und häufig nach einigen Wochen einzelne Aspekte wieder aufgreifen und darüber genauer sprechen wollen.
FS: Ja, die Ausstellung wurde beim letzten Mal sehr positiv aufgenommen. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren froh, sie zeigen zu können. Denn so setzen sich auch die Männer mit dem Thema auseinander und stellen Fragen. Für uns als Runden Tisch stehen die Frauen im Fokus, aber natürlich können auch Männer direkt oder indirekt Opfer von häuslicher Gewalt werden. Wenn das Thema und die Botschaft der Ausstellung aufgenommen werden und wir mit den Menschen ins Gespräch kommen, haben wir schon einen wichtigen Schritt gemacht, nämlich die Sensibilisierung.
MH: Auch wenn die Geflüchteten oder Menschen aus einem anderen Kulturkreis durch das Erlebte einen anderen Bezug zu Gewalt haben, so gilt doch für alle Frauen, dass Gewalt vielschichtig sein kann und erst erkannt werden muss. Vielen Frauen fällt das schwer, solange sie nicht geschlagen werden. Aber häusliche Gewalt gibt es auf vielen Ebenen, ökonomisch, psychisch oder eben auch physisch.
GA: Genau das wollen wir mit dem Runden Tisch sichtbar machen. Daher zeigen wir die Ausstellung auch in öffentlichen Räumen wie dem Kreishaus und beteiligen uns an vielen anderen Aktionen.
Der nächste große Aufschlag ist im November anlässlich des internationalen Aktionstages gegen Gewalt an Frauen. Was passiert dann?
GA: Der 25. November ist der Internationale Gedenk- und Aktionstag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, der ein deutliches Zeichen in der Öffentlichkeit setzen soll. Bereits vor vielen Jahren hat der Verein Terre des femmes die Aktion ins Leben gerufen, Fahnen zu hissen, um für das Thema zu sensibilisieren. Auf Initiative des Runden Tisches beteiligt sich der Rheinisch-Bergische Kreis in diesem Jahr zum ersten Mal geschlossen daran. Das heißt, vor allen kommunalen Gebäuden wie Rathäusern oder dem Kreishaus werden diese Fahnen wehen. Zusätzlich dazu zeigen wir Schülerinnen im Kreisgebiet einen Film, der das Thema aufgreift. Dieser wird im Anschluss durch eine Diskussion und die Möglichkeit der Beratung durch verschiedene Institutionen begleitet.
MH: Solche präventiven Aktionen sind uns ganz wichtig, um bereits junge Mädchen und Frauen für das Thema zu sensibilisieren. Durch das geschlossene Auftreten in der Öffentlichkeit verstärkt das die Wirkung. So bewirken wir viel mehr, als jede Institution für sich alleine.
Infokasten zur Ausstellung
Die Ausstellung „Warnsignale“ ist ab dem 30. Oktober auch für die Öffentlichkeit im Kreishaus zu sehen, nachdem sie zuvor in zwei Flüchtlingsunterkünften gezeigt wurde.
Auf insgesamt 15 Roll-Ups zeigt sie comicartige Zeichnungen und Aussagen, die dazu anregen, darüber nachzudenken, welche Vorzeichen häusliche Gewalt ankündigen können. Wo fängt Gewalt an und zu welchem Zeitpunkt ist es sinnvoll, sich Hilfe zu holen? Damit möglichst viele Menschen die wichtige Botschaft der Ausstellung verstehen, sind die Texte in sieben verschiedenen Sprachen verfasst. Herausgeber ist der Dachverband der autonomen Frauenhäuser.
von: Rheinisch-Bergischer Kreis/Pressestelle
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