Rheinisch-Bergischer Kreis erhält Originalskizze des Architekten Gottfried Böhm – Lackierermeister Gregor Douteil erinnert sich an die gemeinsame Zusammenarbeit
Der 80-jährige Gregor Douteil, Lackierermeister und Maler aus Kevelaer und mittlerweile in Rente, arbeitete über Jahrzehnte mit dem weltweit bekannten Nachkriegsarchitekten Gottfried Böhm (1920 – 2021) zusammen. Dieser schätzte den Maler und Lackierer für seine Experimentierfreudigkeit, seine Geduld und gute Handwerksarbeit. In einem Gespräch mit Kreiskulturreferentin Charlotte Loesch erinnert sich Gregor Douteil an die Arbeiten mit und für die Architektur-Ikone. Er erzählt von den spannenden Herausforderungen, die die Arbeit mit sich brachte, und wie gerne er mit Gottfried Böhm zusammenarbeitete, den er als sehr nahbaren und angenehmen Menschen beschreibt. Im Gepäck hat er eine rund 50 Jahre alte Originalskizze aus der Feder des Architekten, die den Bühnenvorhang im Theatersaal des Bergischen Löwen zeigt – eine Schenkung an den Rheinisch-Bergischen Kreis. Diese befand sich im Besitz von Gregor Douteil, da er selbst für die malerische Umsetzung verantwortlich war.
Gottfried Böhm ist berühmt für seine markanten Beton-Bauten, die in der Nachkriegszeit für Aufsehen sorgten und ihn zu einem der gefragtesten Architekten in Deutschland machten. Sein Schaffen ist auch eng mit der Kreisstadt Bergisch Gladbach verwoben – denn neben dem Bergischen Löwen prägen die Pfarrkirche Herz Jesu und das Bethanien Kinder- und Jugenddorf deutlich ihr Stadtbild. Zum 100. Geburtstag des Architekten im Jahr 2020 wurde ihm und seinen Bergisch Gladbacher Bauten daher die Kulturreihe Expedition Heimat 2.0 des Rheinisch-Bergischen Kreises gewidmet. Auch sein ehemaliger Mitarbeiter Gregor Douteil reiste dazu aus Kevelaer an und besuchte die Veranstaltungen. „Ich freue mich, dass uns das Programm von Expedition Heimat 2.0 das Zeitzeugengespräch, die beeindruckende Begegnung mit Herrn Douteil, möglich gemacht hat“, so Kreiskulturreferentin Charlotte Loesch. „Wir durften jemanden kennenlernen, der eng mit Gottfried Böhm zusammengearbeitet hat. Das ist quasi lebendige Denkmalpflege.“ Im Kreishaus wird das Originalstück nun zunächst für die Öffentlichkeit ausgestellt. Dann soll es im Archiv sicher verwahrt werden. Das Kreiskulturamt schließt zudem nicht aus, die Skizze langfristig einer passenden Forschungseinrichtung zu überlassen. Böhm-Fans und -Forscher, die mehr über die Begegnung und die Skizze erfahren möchten, können sich gerne ans Kulturamt des Kreises wenden: telefonisch unter 02202 13-2770 oder per Mail an kultur@rbk-online.de.
Der Bühnenvorhang mit perspektivischer (Un-)Genauigkeit
Bei Kaffee und Kuchen erzählt Gregor Douteil im Rahmen der Schenkung im Kreishaus über die Zusammenarbeit mit Gottfried Böhm. Erstmals haben sie zu Anfang der 70er Jahre für das Rathaus in Bocholt zusammengearbeitet, beginnt er. Hier bemalte Gregor Douteil, gelernter Lackierermeister mit Kenntnissen in der Bemalung von Glasobjekten, die große Glasfassade. Insgesamt war er an insgesamt 14 Objekten beteiligt. Für die Arbeiten im Bergischen Löwen – das war 1975 – war Gregor Douteil vier Wochen lang rund um die Uhr im Einsatz. Anhand von Gottfried Böhms Skizzen bemalte er unter anderem die Decke und den Bühnenvorhang im Theatersaal. An vielen Objekten war Werner Heymann, Partner bei der Glasmalerei Derix in Kevelaer, als künstlerischer Berater beteiligt.
In der Bemalung des Bühnenvorhangs wird besonders Gottfried Böhms häufiges Spiel mit Perspektiven deutlich. Der ganze Raum besteht aus Ziegeln, die Seiten sind gespickt mit Nischen. Der Vorhang gibt diesen Charakter wieder und greift die Räumlichkeit auf. Der Saal wirkt damit bei geschlossenem Vorhang größer. „Auch wenn Sie genau hingucken, Sie können nicht sehen, wo die Wand in den Vorhang übergeht. Ich hatte immer den Eindruck, dass er sich viel mit der Umgebung und der Geschichte der Objekte befasst“, so Gregor Douteil, als er sich zusammen mit Kreiskulturreferentin Charlotte Loesch über die große – nach fünf Jahrzehnten bereits leicht vergilbte – Skizze beugt. „Dabei kann ich Sie aber auch auf einen Fehler aufmerksam machen“, sagt er und deutet auf die Skizze. „An einer Stelle stimmt die Perspektive nicht“, verrät er. Das wollte Gottfried Böhm aber nicht geändert haben. „Das lassen wir, das ist künstlerische Freiheit“, habe Gottfried Böhm dazu geäußert.
Zuletzt bekräftigt Gregor Douteil auf Nachfrage der Kulturreferentin zur Arbeit am Bergischen Löwen: „Für mich war die schönste Aufgabe in der Zusammenarbeit mit Herrn Böhm der Vorhang im Bergischen Löwen – das war das i-Tüpfelchen!“ Das habe vor allem an den besonderen perspektivischen Aufbau, aber auch an der glatten Oberfläche des Materials gelegen. Hier konnte er mit Lack arbeiten. Bei der Arbeit mit dem vertrauten Stoff war der gelernte Lackierermeister ganz in seinem Element.
Der Wundermaler aus Kevelaer
Gregor Douteil berichtet, dass die Tätigkeiten für den Architekten immer weit über die Standardarbeiten eines Lackierers oder Malers hinausgingen. „Von meinem Geschmack her, war das schonmal nicht ganz meine Linie, um es mal so zu sagen. Aber ich habe sehr gerne für Herrn Böhm gearbeitet. Jeder Bau und jedes Objekt, für das ich zuständig war, war etwas Besonderes“, erzählt er. Das lag auch an den Untergründen. Beton, Stahl, Holz, Glas – Gottfried Böhm war berühmt für die speziellen Materialien, die er verwendete. Hinzu kam, dass Gottfried Böhm nie mit Mischfarben arbeiten ließ, sondern immer mit Volltonfarben. Diese wurden von Gregor Douteil in sehr feinen Schichten mittels Airbrushpistole übereinandergelegt, um die gewünschten Farbtöne zu erzielen. Um das richtige Verhältnis der Farbschichten zu finden, probierte der Handwerker im Vorfeld lange herum: „Bei den Arbeiten für das Saarbrückener Schloss habe ich zum Beispiel eine Woche lang nur Farbmuster angelegt.“
Gottfried Böhm hatte sehr genaue Vorstellungen. Gregor Douteil wiederum hatte die Geduld und die Experimentierfreudigkeit, diese umzusetzen. „Ich habe gerne Sachen ausprobiert. Auch wenn etwas eigentlich nicht gehen sollte“, sagt er. Bei einem Werk musste beispielsweise aufgrund der Beschaffenheit des Untergrunds mit ungewöhnlichen Farben gearbeitet werden. Für diese Farben seien die Standard-Siebe der Airbrushpistolen zu fein gewesen. Die Hersteller haben ihm dabei nicht weiterhelfen können. Daraufhin habe er solange mit verschiedenen Alternativen gearbeitet, bis er eine Nylon-Damenstrumpfhose fand, die die richtige Dichte aufwies.
Ihm habe die Arbeit zudem Freude gemacht, weil der damals schon sehr angesehene Professor ein sehr nahbarer und angenehmer Mensch gewesen sei. Dem Architekten, der auf dem Bau stets mit selbstgestrickten Jacken herumlief, sei es zum Beispiel wichtig gewesen, die Prozesse nicht nur zu beobachten: „Herr Böhm hat auch immer direkt mitgemacht. Er musste einmal die Spritzpistole in der Hand halten und Muster spritzen. Er musste wenigstens einmal die Hände voll Farbe haben“, erinnert sich Gregor Douteil schmunzelnd. Wie gut die Zusammenarbeit lief, wird an folgender Anekdote deutlich, die er nicht ohne Stolz erzählt: Einmal sei er ganz kurzfristig zu einem Projekt dazugekommen, für das eigentlich bereits ein großer Malerbetrieb arbeitete. „Ach, da kommt der Wundermaler aus Kevelaer“, haben ihn die anderen Fachleute begrüßt. Diese hatten zuvor acht Tagen lang mit den Farben herumexperimentiert und immer noch nicht die Vorstellungen des Architekten getroffen. „Herr Böhm hatte dann gesagt, ‚Jetzt hole ich den Herrn Douteil, der weiß, was ich will!‘“
Zum Abschluss des Gesprächs gibt es eine Sache, die Gregor Douteil noch sehr wichtig ist: „Wenn man über Gottfried Böhm spricht und schreibt, darf man seine Frau nicht vergessen.“ Bei fast allen Objekten sei sie – ebenfalls Architektin – dabei gewesen. „Sie haben sich sehr stark ergänzt und sie hat einen großen Anteil an seinem Erfolg gehabt“, sagt er.
von: Rheinisch-Bergischer Kreis/Pressestelle
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